Social Media war der erste Informationskanal nach den Bombenanschlägen im Zielbereich des Boston Marathons. Menschen vor Ort teilten ihre Fotos und Videos mit, Journalisten nahmen diese auf und multiplizierten die ersten Nachrichten um ein Vielfaches. Zur Frage, ob und in welchem Rahmen die Übernahme solcher Informationen Sinn macht, haben wir uns gestern Gedanken gemacht.
Unterdessen haben sich die Ereignisse überstürzt. Ziemlich grosse Verwirrung entstand am Mittwochabend auf den digitalen Kanälen, als CNN vermeldete, dass offenbar ein Tatverdächtiger verhaftet wurde.
Law enforcement sources: Arrest made in the Boston bombings investigation. on.cnn.com/15fOGEd
— CNN Breaking News (@cnnbrk) April 17, 2013
Doch wie konnte eine solche Falschmeldung bei einem derart renommierten US-Medium überhaupt zustande kommen? Fast gleichzeitig zur Verbreitung der journalistischen Falschmeldung beginnen amerikanische Medienbeobachter, diese zu analysieren. Leider haben aber die meisten Analysen etwas gleich: Im ersten Moment wird auf den Medienkanal geschossen und nicht das System dahinter untersucht. Zum Beispiel dass Journalisten bei Breaking News (egal über welchen Kanal diese auf eine Redaktion eintreffen) unter Adrenalin-Einfluss anders entscheiden und handeln, als mit einer gewissen emotionalen und zeitlichen Distanz.
Spannend ist ja vor allem beim Beispiel der Anschläge in Boston, dass die Falschmeldung nicht von vermeintlichen «Leserreportern» stammt, sondern von einem renommierten Medienhaus vermeldet wurde. Social Media Plattformen waren dabei nur der Nachrichtenkanal. Was bei den Analysen nicht wirklich beachtet wurde, ist die Tatsache, dass die vermeintlich richtige Meldung später über denselben Kanal (in diesem Fall Twitter) von der Ursprungsquelle selbst vermeldet wurde.
Despite reports to the contrary there has not been an arrest in the Marathon attack.
— Boston Police Dept. (@Boston_Police) April 17, 2013
Und einmal mehr zeigt sich an diesem Beispiel, dass auch eine Quelle zum Medium werden kann. Was bleibt, ist ein fahler Nachgeschmack: Journalisten arbeiten mit Vertrauen. Vor allem bei Terroranschlägen und sonstigen Katastrophen ist die Nachrichtenübersicht meist sehr diffus. Umso wichtiger ist das Abwägen von Publikation und Nichtpublikation – verbreitet sich die Erstmeldung doch jeweils viel schneller als die nachgereichte Korrektur, wie der US-Journalist Craig Silverman an einem fälschlichen Tweet von NBC News im November 2011 aufzeigt.
Nicht die Schnelligkeit, sondern das Vertrauen ist das höchste Gut der Journalisten. Man überlege sich, was geschieht, falls die Bevölkerung und die Nutzer plötzlich einer einzigen Quelle (hier einer staatlichen) mehr vertrauen, als den aussenstehenden Beobachtern, die in solchen Fällen überzeugen sollten. Es ist klar, dass dies der beste Nährboden für mögliche Verschwörungstheorien darstellt.
Disclosure: Auch ich bin der Falschmeldung von CNN aufgesessen und habe sie – zwar abgeschwächt – weiterverbreitet.