Es muss ein Traum sein für Dick Costolo, Mark Zuckerberg und Eric Schmidt: Egal ob Medien, Politik oder Unternehmen – alle kämpfen um die meiste Aufmerksamkeit für Twitter, Facebook und Google+.
Was sich wie eine Marketing-Utopie anhört, ist in Zeiten von Social Media Realität. Es vergeht nicht eine Sekunde, in der nicht um Aufmerksamkeit auf den drei großen Plattformen geworben wird. Der Clou: Das passiert nicht nur auf den Plattformen selbst, sondern auf Werbeplakaten, in Interviews, beim Fernsehfilmfilm der Woche oder sogar in den Nachrichten – ohne Ende Werbung für die Milliarden-Dollar-Unternehmen.
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Die sozialen Netzwerke werden als alternativlose Infrastrukturen angepriesen, deren vermeintliche Vorteile jeden Zweifel ausmerzen – und: wer nicht dabei ist, hat verloren. So zumindest die gängige These. Nur: Die These stammt von Facebook, Twitter, Google+ und wird von den Werbern, Journalisten und Unternehmen bereitwillig wie in Trance wiedergegeben, wiedergegeben, wiedergegeben. Wir drehen uns in einem digitalen Kreis zugunsten der Unternehmen aus dem sonnigen Kalifornien. Auch ich mache seit Jahren kostenlos Werbung.
Facebook
Der Satz “Facebook gehört im Jahr 2013 genauso zur Politik wie Rededuelle im Bundestag” stammt aus der Facebook-Werbebroschüre “Facebook erfolgreich nutzen – Leitfaden für Politiker und Amtsträger”. Darin zu sehen: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Herausforderer Peer Steinbrück, zudem die Netzpolitiker Lars Klingbeil (SPD), Peter Tauber (CDU), Manuel Höferlin (FDP), Özcan Mutlu (Grüne).
Wie konnte es geschehen, dass sich die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland dazu hinreißen lässt, zu einer Werbefigur eines Milliarden-Dollar-Unternehmens zu werden. Wie konnte es geschehen, dass sich Netzpolitiker in einem Leitfaden von Facebook ablichten lassen – Herren oder Damen aus dem Gesundheitsressort wären ja sicherlich auch nicht auf die Idee gekommen, in einem Adidas-Image-Film zu zeigen, welcher Laufschuh am besten für die Volksgesundheit ist.
Facebook gehört im Jahr 2013 genauso zur Politik wie Rededuelle im Bundestag, Wahlplakate am Straßenrand und die Bürgersprechstunde imWahlkreisbüro.
Auch internationale Spitzenpolitiker lassen sich gern bei Facebook blicken. Dabei dreht sich auch die digitale Netz-Avangarde im Kreis: Ist ein Politiker nicht in einem sozialen Netzwerk engagiert, wird ihm mangelndes Vermögen 2.0 vorgeworfen. Engagiert er sich, dann wird ihm zu große Nähe vorgeworfen. Der stete Gewinner: die sozialen Netzwerken.
Facebook? Hey, das ist total wichtig für die politische Kommunikation – und unausweichlich. Datenschutz? Klar, auch wichtig: eine Doppelseite mit einem lächelnden Datenschützer Wichert reicht, um sämtliche Fragen auszuräumen. Auf Facebook kann man seine Daten nicht löschen? Facebook trackt seine Nutzer durch das Internet? Facebook verkauft Daten der Nutzer? Alles Mythen.
TWITTER
Ein Tatort ohne Twitter? Kaum vorstellbar. Zu schön ist es, sich mit anderen Tatort-Privatermittlern vor der Glotze über die fehlerhafte Darstellung des Gerichtsmediziners auszutauschen. Aber nicht nur dort. Überall, alle machen mit. Egal ob Werbung, Politik oder Fernsehen – es werden ganze Sendungen um Twitter herum gestrickt. Mehr Interaktion, mehr Zuschauer, mehr auf Augenhöhe.
Egal ob ProSieben oder Öffentlich-Rechtlich – ein Hashtag in einer Sendung wird als Meilenstein der Unternehmensgeschichte verkauft, fragt sich nur wessen Unternehmens. Und: Wenn ein Thema bei Twitter trended, dann reichen unter Umständen ein paar Tausend Hansel. Da ist eine Anzeigen-Kampagne des Mainzer Wochenblatts mindestens genauso erfolgreich.
Google+
Und natürlich darf Google auf der digitalen Jubelfeier nicht fehlen. Mit Google+ lässt sich so wunderbar selber Fernsehen machen. Egal ob eine Zeitung zum Lunchtalk einlädt, ein Fernsehsender interaktiv Zuschauer einbindet oder gar der Dalai Lama oder Angela Merkel zum Hangout bitten – was für ein Coup für Google Deutschland! Aber bitte: Wenn in den USA der Präsident auf YouTube zum Townhall-Meeting einlädt, dann wird in Deutschland ja wohl ein Hangout mit der Kanzlerin drin sein – die will sich ja schließlich auch modern präsentieren.
Die Werbung für das Produkt Google+ kennt jedenfalls keine Grenzen. Im Gegenteil: Wer nicht mitzieht, wird gar als innovationsfeindlich diskreditiert. Verrückte Welt. Googles Welt.
Was sind die Alternativen?
Schon längst sind Social Media Manager zum verlängerten Arm der Twitter/Facebooks/Google+ dieser Welt geworden. Junge, windige Social Media Erklärer erzählen ihren Firmen, Kunden und Redaktionen, warum Social Media so wichtig ist – und lassen dabei manchmal die Frage offen, für wen sie eigentlich mehr arbeiten. Die Konsequenz: Werbung für das soziale Netzwerk – bezahlt von der hauseigenen Firma, nicht von den sozialen Netzen. Ein Traum.
Klar. Es geht heute keiner mehr ins Stadion. Man geht heute auch nicht mehr zur Konzerthalle. Man geht in die Allianz-Arena oder in die O2-World. Doch in keinem anderen Bereich gibt es einen derartigen Siegeszug zu sehen, wie bei den sozialen Netzwerken. Alle machen Werbung für die Netzwerke – überall und andauernd.
Aber: Facebook ist nicht das Telefon. Ein Moderator würde ja auch nicht sagen: Rufen Sie uns an mit der Telekom! Was sind also die Alternativen?
Foto-Quellen: Header via FB/Marketing || Statistik via Statista || John Kerry bei FB/Berlin || Statistik Twitter TheVoice via Couchfunk || Merkel im Hangout bei /+stefankeuchel